Kindergartenland Thüringen weiter stärken

Gute Betreuung, gute Arbeit, gute Qualität: Auf dem Weg zu guter frühkindlicher Bildung in Thüringen 2024 – 2029. Vorschläge für bessere Kindergärten in Thüringen von Ulrike Grosse-Röthig.

Gutes kann immer noch besser werden – so auch unsere Kindergärten. Kurz vor Weihnachten 2023 hat der Thüringer Landtag den Haushalt für 2024 beschlossen – ein Kompromiss von Rot-Rot-Grün mit der CDU. Die Verabredung mit den Konservativen war nötig, da Die Linke, SPD und Grüne seit 2019 keine Mehrheit mehr haben. Eine Folge: Unser Vorhaben, das Kindergartengesetz fortzuentwickeln, wurde von der CDU verhindert. Ein drittes Jahr beitragsfrei, Verbesserungen im Fachkraft-Kind-Schlüssel, ein Institut für frühkindliche Bildung – alles erstmal nicht möglich.

Wir alle lernen ein Leben lang. Doch gerade die ersten Jahre prägen ganz besonders - sowohl jedes einzelne Kind in der Krippe, aber in der Folge auch unsere ganze Gesellschaft. Hier legen wir die Grundlagen für das soziale Miteinander, die Freude am Lernen, unser Menschenbild bis hin zu den Fragen von gesunder Ernährung. Alle Kinder haben einen Anspruch darauf, durch gute Bildung und Betreuung die Chance auf ein gutes. selbstbestimmtes Leben zu erhalten, von Anfang an.

Wir haben in Thüringen heute eine breite Kindergartenlandschaft, über 1.340 Kindergärten und mit weit über 90 Prozent bundesweit bereits die bundesweit höchste Betreuungsquote unserer Kinder. In keinem Bundesland arbeitet besser ausgebildetes Personal und Fachkräften in den Einrichtungen, weil der Katalog mit den Anforderungen an Fachkräfte streng ist.  Bereits jetzt gibt es hier zwei beitragsfreie Kindergarten-Jahre. Das sind Bedingungen und Zahlen, von denen Eltern und Kinder in anderen Bundesländern nur träumen können. Wir müssen klar sagen: Mit Beitragsfreiheit, Erfolgen auf dem Weg zu mehr Personal und einem Wandel bei der Definition von Qualität in den Einrichtungen haben wir seit 2014 wichtige Schritte bereits geschafft.

Doch die Welt dreht sich weiter und gut ist uns nicht gut genug. Auch die Einrichtungen in Thüringen sind von den Herausforderungen der Zeit betroffen. Auch hier in Thüringen fehlen uns Fachkräfte. Der auch in Thüringen vorhandene Trend der letzten Jahre, vom Land in die Städte abzuwandern, stellt uns vor Herausforderungen fehlender und gleichzeitig überzähliger Platzkapazitäten in den Einrichtungen. Der demographische Wandel schlägt hart zu in einer Zeit, in der die Nachwendekinder, die nunmehr Eltern sein sollten, selbst nicht mehr in Thüringen geboren wurden. Es wird sich etwas  in den Kindergärten im Land wandeln. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Wandel nicht zu Lasten dieser für Kinder und Familien prägenden Einrichtung, dem Kindergarten geht.

Die Anstrengungen, genug gut ausgebildetes Personal für die Einrichtungen zu gewinnen und dort zu halten, wird ein Gelingensfaktor sein. Bessere Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sind hier das A und O. Bezahlung nach Tarif trägt dazu bei, dass weniger Beschäftigte abwandern oder in andere Berufe wechseln. Hier muss die finanzielle Ausstattung der Kindergärten in kommunaler und privater Trägerschaft weiter verbessert werden. Belegbare Erfolge unserer Landesregierung und unseres zuständigen Ministers Helmut Holter (Die Linke) bei der Gewinnung von Erzieher*innen zeigt unter anderem das Modellprojekt „Praxisintegrierte Ausbildung in Thüringen (PiA-TH)“, um zusätzliche Bewerber*innen für den Beruf zu gewinnen, oder auch die Praxis der Zuschüsse an die Kita-Träger für Jahrespraktikant*innen.

Das „Gute-KiTa-Gesetz“ der Bundesregierung hat erstmals auf die wirklich in der Bundesländern bestehenden Bedarfe im Bereich der frühkindlichen Bildung reagiert und gleichzeitig den Blick geöffnet für eine Mehrdimensionalität des Qualitätsbegriffes in Kindergärten. Neben dem Betreuungsschlüssel waren in 7 weiteren Qualitätsbereichen Investitionsmöglichkeiten gegeben.

Die linksgeführte Landesregierung in Thüringen hat dies für eine Reihe von Verbesserungen genutzt und neben dem Fachkraft-Kind-Schlüssel auch die Beitragsfreiheit und die Multiprofessionalität ausgebaut.

Wir haben klar gemacht, dass Qualität in den Kindergärten mehr ist, als nur die Zahl der Fachkräfte pro Kinder oder der Beitragsfreiheit – es wurde mit dem Gesetz auch versucht, der Mehrdimensionalität der Herausforderungen Rechnung zu tragen.

Qualität muss heute auch in „Trägerqualität“ gedacht werden. Welche Voraussetzungen muss ein Träger von Kindertageseinrichtungen heute mitbringen, um den multiplen Anforderungen gerecht zu werden.

Elternbeiträge sollen der Vergangenheit angehören. Nicht einfach durch Erstattung, sondern durch die grundhafte Neugestaltung der finanziellen Beziehungen zwischen Eltern-Trägern-Kommunen und Land.

Ein weiter und an Gewicht gewinnender Aspekt muss die Frage von baulicher Qualität der Einrichtungen sein.  Wie kann die Gestaltung der Räume helfen, auf die veränderten Anforderungen, Erwartungen und Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Beschäftigten zu reagieren? Ein zentrales Problem: Der Rückgang der Zahl von Fachkräften ist auch demographisch bedingt und eine Realität, der wir uns stellen müssen – ganz unabhängig auch von besseren Arbeitsbedingungen und bessere Ausbildungsmöglichkeiten. Hier müssen wir Wege finden, wie auch bauliche Fragen, pädagogische Konzepte und Organisation der Einrichtungen beste Bedingungen für alle schaffen kann. Thüringen ist Chancenland, wir können auf Ressourcen zurückgreifen, die uns über lange Zeit geprägt haben. Wenn wir heute vom Einfluss der Räume auf unsere Zukunft sprechen, dann ist das auch eine Lehre vom Aufbruch des Bauhaus, der von Thüringen aus vor 100 Jahren schon die Welt im Wandel begleitet und sie vorbereitet hat auf die Herausforderungen der Welt.

Wir brauchen auch in Thüringen eine Einrichtung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis, die über Bedingungen, Fragen der Ausbildung und pädagogischen Begleitung in Kindergärten forscht, nachdenkt und ausbildet – so wie zum Beispiel in Niedersachsen es das Institut für frühkindliche Bildung tut. Auch das kostet Geld, ebenso wie die bessere Bezahlung der Beschäftigten, die weitere Anhebung der Qualität und zusätzliche Freistellung für Leitungsaufgaben. Bessere Kindergärten sind also am Ende immer auch eingebettet in die politischen Fragen einer gerechten Finanz- und Steuerpolitik, die es Kommunen und Ländern ermöglicht, unsere Gesellschaft so zu gestalten und Rahmenbedingungen zu schaffen, dass das Leben für alle besser und einfacher wird. Gerade Unterstützung bei Verpflegungskosten in Kindergärten und Kindertagesstätten für Familien mit geringem Einkommen und die Stärkung kommunaler Küchen für Kindereinrichtungen wird zusätzliches Geld brauchen, das vom Land nur aufgebracht werden kann, wenn die Steuer- und Finanzpolitik des Bundes eine ganz andere wird. Den eingeschlagenen Weg fortsetzen, vollständige Beitragsfreiheit und vorweg Gehen bei Qualität, Leitungsfreistellung, Betreuungsschlüssel und Ausbildung, das ist ein Teil der vor uns liegenden Arbeit. Aber darüber hinaus müssen wir nun die weiteren Schritte gehen, um im Chancenland Thüringen wirklich für alle Kinder gleiche Startchancen im Leben zu schaffen – das sind Aufgaben für die Jahre bis 2029.

Wir müssen bei der Gestaltung unserer Kindergärten immer die Frage beantworten, welchen Anspruch haben wir an unsere Einrichtungen? Sie sind keine Einrichtungen der sozialen „Wohlfahrt“ oder nur der Betreuung, damit Eltern arbeiten gehen können. In Thüringen sind die Kindergärten selbstverständlicher und damit gebührenfreier Teil einer Bildungslandschaft und Gesellschaftsbestandteil. Sie sind Bildungseinrichtungen, die die beste Betreuung ermöglichen sollen, die wir Kindern geben können. Die Zeit in den Kindergärten prägt die Kinder und somit unsere Gesellschaft dauerhaft. Ein solches Herangehen ist eine humanistische Haltung gegenüber den kleinen Menschen in unserer Welt und keine Last.

Eine gekürzte Fassung ist in der Tageszeitung "Neues Deutschland" erschienen.